In jedem Leben gibt es Momente, in denen wir entscheiden müssen, ob der zukünftige Weg nach rechts oder links führen wird.
Nicht nur als systemischer Coach, sondern auch durch meine eigenen Erfahrungen habe ich gelernt, dass der Lebensweg, so wie die meisten Straßen, selten ganz gerade verläuft.
Oft dachte ich, die eingeschlagenen Pfade bauten aufeinander auf. Wie oft hatte ich den Gedanken „es musste genauso kommen“. Heute weiß ich, dass es nicht stimmt. Unser Leben besteht aus einem Netz von Wegen und Weggabelungen, an denen wir uns selbst entscheiden können, wie es weitergeht. Im Folgenden möchte ich Ihnen einen Einblick geben, wie ich hier gelandet bin.Weggabelung?
Seh‘ ich nicht!
Zum Abitur war für mich klar, Studium der Geschichte und Romanistik sollte es sein. Ich wollte Professor werden. Ich hatte vor, mich tief in spannende Themen einzugraben. Nothing else matters. Allerdings, und das stellte sich dann in den Gesprächen heraus, sahen die Aussichten an den Universitäten nicht vielversprechend aus.
Im letzten Schuljahr traf ich dann wenige Tage vor Weihnachten auf eine Organisation, die Bundeswehr hieß. Vier Wochen später hatte ich eine Zusage für eine Verpflichtungsdauer von zwölf Jahren auf dem Tisch liegen, dokumentiert auf einem zweiseitigen Vertrag (so wenig Papier für so viele Jahre – das gab es nie wieder).
Warum ich mich für eine Offizierslaufbahn entschied? Warum nicht, ich wollte ja eh etwas anderes machen.
Das war die erste große Entscheidung in meinem Leben, die ich aber in der Situation überhaupt nicht als solche gesehen habe. Okay, mache ich mal. Was soll’s!?
Weggabelung
Should I stay or should I go?
Wie soll ich zwölf Jahre Offizier der Bundeswehr zusammenfassen? Lassen wir mal die Lehrgänge weg, dann war ich mit 20 Jahren zum ersten Mal Vorgesetzter. Und das blieb so bis zum Dienstzeitende.
Ich bin sehr vielen Menschen begegnet und konnte im
Besonderen bei meinen Chefs beobachten, was bzgl. Führung „funktioniert“ und „was gar nicht geht“. Das mache ich übrigens heute noch so – beobachten und lernen!
Ich habe nie wieder in einer Organisation so viel gelacht! Ich habe bisher auch noch in keiner anderen Organisation solch eine Personalentwicklung kennengelernt. Die Bundeswehr hatte sie schon immer!
Ich konnte Menschen sehen, die unter bestimmten
Bedingungen signifikante Leistungssteigerungen zeigten und von denen ich diese niemals erwartet hätte. Das hat mich sehr früh geprägt, Menschen
nicht schnell oder auch voreilig zu kategorisieren, sondern ihnen Raum zur Entwicklung zu geben. Diese Entwicklungszeit habe ich ja für mich selbst auch in Anspruch genommen.
Ich studierte Wirtschafts- und Organisationswissenschaften (Geschichte und Romanistik bot die Hochschule der Bundewehr nicht an) und promovierte nebenberuflich.
Nach zwölf Jahren stellte sich die Frage:
Bleiben und Berufsoffizier werden oder gehen?
Gehen!
Weggabelung
Logistik & Projekte
Es folgten 18 Jahre als Manager in Logistikunternehmen.
Zunächst ging es zu Bertelsmann in Ostwestfalen, quasi die „Mutter der Distributionszentren“. Meine Erfahrung aus dieser Zeit konnte ich später nutzen, um in zwei großen Projekten für die Fiege-Gruppe aus Münster Logistikzentren zu errichten. Es galt, jeweils eine komplette Firma aufzubauen, aus Containern heraus. Der Erfolg lag in der Umsetzung – im Machen.
Und das war genau mein Ding! Im Laufe der Jahre konnte ich alle Managementfunktionen durchlaufen bis hin zum Chef der gesamten Produktion mit ca. 1.000 Mitarbeitern und als Geschäftsführer im zweiten Projekt.
Gemeinsam mit meinen Mitarbeitern haben wir viele Aufgaben „gerockt“ und ich hoffe, dass die Beteiligten auch heute noch ihren Wertbeitrag erinnern und ermessen können. Der war, um es einfach zu sagen, herausragend!
Im nächsten Schritt ging es dann zum größten deutschen Logistikunternehmen und zum ersten Mal in meinem Leben erhielt ich eine Aufgabe in einer Konzernzentrale.
Auch hier habe ich viel gelernt, vieles sehr kritisch hinterfragt und, um ehrlich zu sein, bis heute nicht verstanden. Ich würde es immer noch anders machen!
Innerhalb von fünf Jahren durfte ich fünf Chefs erleben – das ist nicht spaßig und erfordert eine hohe Frustrationstoleranz. Die Rettung bestand in einer Folgefunktion im damals größten Projekt des Konzerns, nämlich dem Aufbau eines Flughafens, oder auch Drehkreuzes, nahe Leipzig. Also ging ich wieder dahin, wo ich bei Fiege begonnen hatte: Firmen aufbauen.
Extrem spannend in vielerlei Hinsicht: Höhe der Gesamtinvestitionen, Projektorganisation, Zusammenspiel der verantwortlichen Manager, Technik, usw.
Weggabelung
Der akademische Kontext
Ja, ich hätte nach dem nächsten großen Projekt Ausschau halten können.
Habe ich aber nicht. Irgendwann war auch mein Interesse erschöpft. Darüber hinaus, und das wurde mir erst in späten Lebensjahren klar, möchte ich nicht, dass mir Chefs die Welt erklären. Das kann ich selbst und meistens besser.
Da ich immer parallel zu meinen beruflichen Aktivitäten Unterricht im akademischen Umfeld gegeben hatte, sprang ich auf einen Zug auf, der mich zu meiner aktuellen Aufgabe gebracht hat, nämlich als Professor für Betriebswirtschaftslehre.
Ich mag es einfach, mich in Themen hineinzudenken, am liebsten in mir noch unbekannten Feldern. Im Besonderen sind mir mehrere Erlebnisse vor Augen, bei denen irgendwelche VIPs mit Vodoo-Anglizismen herumtönten und sich diese dann nach konsequentem Nachfragen jeweils als heiße Luft darstellten. Das hat mich immer bestärkt, zunächst zu fragen, worum es denn geht bzw. was denn der diskutierte Begriff bedeuten könnte. Welches gern genommene Wort liegt seit geraumer Zeit in meiner Hitparade vorne? Klar, die Digitalisierung!
Meine Tätigkeit als Hochschullehrer bedeutet, neben der Lehrtätigkeit, in dieser Organisation zu „drücken“, vorwärts zu gehen, es anders zu machen als gestern etc. Insofern habe ich auch andere Fächer als in meinem Deputat festgelegt, unterrichtet. Jedes Mal hat mir das geholfen, mehr zu verstehen, Kenntnisse zu verknüpfen und, natürlich aus meiner Sicht, besser zu werden. Das war und ist ein wesentlicher Antrieb für mich. Insofern konnte ich schon erfolgreich ein Schwerpunktfach initiieren, nämlich Sales Management, und ggf. wird daraus auch noch ein Masterstudiengang. Mal schauen.
Weggabelung
Keep on moving
Während dieser Zeit stand jemand an einer Weggabelung und schlug mir vor, mit meinem beruflichen Hintergrund mal in Heidelberg vorbeizuschauen und dort die Luft der „systemischen Beratung“ zu schnuppern.
Ich fand sie faszinierend. Daraufhin entschloss ich mich zur Absolvierung einer Aus- und Weiterbildung zum systemischen Therapeuten. Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viele Erkenntnisse, auch über mich, erlangt. Und ja, ich habe vieles auch in meinen Unterricht an der Hochschule überführt. Es war aber nicht klar, was ich mit dieser Bildung machen wollte. Ganz langsam kam aber dann die Frage auf, was mich eigentlich, ganz im Kern, in meinem Berufsleben umgetrieben hat. Was habe ich gerne gemacht, was kann ich? Was ist das verbindende Element aller Tätigkeiten? Und dann kam die Antwort: Die Interaktion mit Menschen. Immer. Heute unterbreite ich Menschen das Angebot zur Begleitung, in einen Austausch einzutreten, kritisch zu hinterfragen, Richtungen vorzugeben, Türen zu öffnen. Es bedeutet nicht, alle Probleme zu lösen, das können nur Sie selbst. Weitergehen, in Bewegung bleiben. Morgen wird etwas Neues und Spannendes passieren.Weggabelung
Existiere ich nur als Arbeitsbiene?
Meine Familie würde antworten: ja!
Ich würde natürlich auf das Schärfste dementieren!
Ich bin seit vielen Jahren verheiratet und habe zwei Kinder. Die beiden wohnen schon lange nicht mehr zuhause, sondern mit ihren Partnern zusammen. Alle Kinder- und Erziehungsthemen, die in jeder Familie vorkommen, gab es bei uns auch.
Dass meine Kinder sich heute selbst entscheiden, ist aus meiner Sicht ein richtiger Erfolg, bei dem meine Frau und ich jedes Mal gedanklich „abklatschen“. Klar, zu einigen Themen wird auch die Meinung der Eltern eingeholt und ich gebe zu, ich würde manchmal anders entscheiden. Es ist aber nicht mein Leben. Also ist es so gut, wie die beiden ihr Leben gestalten.
Freizeit? Doch, die gibt es auch.
Für mich ist Sport die beste Methode, um Entspannung und Klarheit zu erwirken. Ob beim Bouldern, auf dem Rad oder beim Wandern: Ich bin gerne in Bewegung.
Zudem hat mich die Musik in vielen dunklen Stunden gerettet.
Einer der wichtigsten Tage in meinem Leben ereignete sich im Juni 2017: Deep Purple Konzert in Köln und ich hatte das „meet&greet package“ erworben. Ich mit meinen Helden, live und zum Anfassen und auf Fotos.

